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Living in the fintech bubble?

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Ist Digitalisierung nur ein weiteres Schlagwort?

Vor einigen Wochen habe ich mit Bekannten einen lustigen Abend verbracht. Rund die Hälfte der Personen sind im Finanzwesen tätig, die übrigen in anderen Branchen. Irgendwann mussten die Stichworte „Digitalisierung“ und „Fintech“ unweigerlich fallen, auch weil man sich auch für meinen beruflichen Hintergrund interessierte. Interessant waren die Reaktionen auf meine Erläuterungen und meine Gedanken zum Thema Digitalisierung. Kaum jemand hat meine Sicht, dass sich die Finanzbranche und andere Dienstleistungszweige noch weiter verändern würden, geteilt. Und das obschon fast alle Netflix- oder Spotify-Kunden sind, UBER kennen, ihre Tickets selber buchen oder bei Amazon einkaufen. Aber Banking würde sich dann doch nicht ändern. Ich war irriiert.

„Es kommt doch nicht so schlimm“

Viel eher herrschte die Ansicht vor, „es kommt dann nicht ganz so schlimm“. „Ich sage ja nicht, dass es schlimm ist, was da kommt. Aber bereit sein sollten wir!“ Die Diskussion ging weiter, ich habe von neuen Anbietern wie Revolut oder auch Robinhood erzählt – für kaum einen anderen Gesprächsteilnehmer bislang wirklich ein Thema. „Ich habe Paypal„, hat einer dazwischen gerufen, ein anderer erwähnte „Twint“, worauf neue Fragen aufkamen. Twint?

Lebe ich in der Digitalisierungs- und Fintech-Bubble?

Ich habe mich später gefragt: Lebe ich in einer Blase? Bin ich betriebsblind, geblendet von meiner täglichen Arbeit, der Nachfrage von veränderungswilligen oder zur Veränderung gezwungenen Banken und Vermögensverwaltern. Von manchmal visionären Diskussionen mit Kollegen am Arbeitsplatz oder mit Kunden. Von geplanten neuen Produkten, die von den unterschiedlichen Anbietern entwickelt und aufgesetzt werden. Von neuen Arbeits- und Zusammenarbeitsformen, die ich kaum mehr wieder hergeben möchte. Bin ich ein Nerd? Passiert da draussen gar nix?

Ist die digitale Transformation also nur ein Mythos?

Ich glaube nicht. Sicher nicht. Einiges scheint richtig gut zu funktionieren: Neue Angebote, neue Services wurden eingeführt und in der Breite akzeptiert. Viele davon werden kaum als ein Resultat der digitalen Transformation wahrgenommen. Das Bahn- oder Tram-Ticket via App kaufen, via Amazon Bücher bestellen und den Urlaub online buchen, das ist doch alles „normal“ geworden. Ist auch seit vielen Jahren schon Realität. Spotify und Netflix gelten als tolle Angebote, die man einfach nutzt. Mit allen damit verbundenen Konsequenzen (Stichwort Ex Libris oder auch OVS).

In der Runde waren auch Mitarbeiter von führenden Anbietern aus der Finanzindustrie. Eine Branche, die noch die eine oder andere Umwälzung erleben dürfte, da bin ich mir sehr sicher. Einige scheinen zu hoffen, dass die Zukunft dann doch anders kommt, als diese „Digitalisierungsfanatiker“ es prophezeien. Oder die Chefs es versuchen zu kommunizieren.

Sind die Mitarbeiter noch an Bord?

Möglicherweise geht die Information und die Geschichte der „digitalen Transformation“ auf dem Weg von den Chefs bis zu den Mitarbeitern verloren. Und das ist in meinen Augen schon ein Problem. Denn: Ohne die sehr gut ausgebildeten und kundenorientierten Mitarbeiter wird die Transformation stark erschwert. Gerade Finanzplaner dürfte es weit länger brauchen als Mitarbeiter an den Kassen. Die Aufgaben oder Arbeiten werden nicht komplizierter – aber repetitive Aufgaben sollen an Roboter oder Maschinen übertragen werden. Ist die Führung genügend transparent? Bereitet man das Personal und die Angebote tatsächlich auf die Umwälzung vor? Verwendet man genügend Zeit darauf, den Mitarbeitenden zu erklären, was in den nächsten Monaten und Jahren passieren könnte? Den Nutzen modernisierter Prozesse sichtbar zu machen? Damit freiwerdende Ressourcen idealer eingesetzt werden können?

Oder sind die Mitarbeiter zu abgestumpft, verunsichert, sogar schon desillusioniert, dass sie zwar zuhören aber dann gleich wieder so weitermachen wie bis anhin? Oder hängen Mitarbeiter gar an den „einfachen, sich wiederholenden Aufgaben“?

Fazit: Die Bubbles existieren

Frage: Schwebe ich in dieser aus meiner Sicht zukunftsträchtigen, Fintech-Regtech-Digitalisierungs-Transformations-Bubble und spüre zuwenig, was da draussen abgeht? Trüben Mifid-2 und PSD2 und wie die neuen internationalen Vorschriften auch alle heissen mögen, meine Sicht auf die Realität hierzulande? Kann sein. Deshalb nehme ich mir vor: Immer wieder einen Schritt zurück machen und mit ein wenig Distanz die neuen Angebote, Reports oder strategischen Folien betrachten. Intensiv zuhören. Und vor allem nicht aufhören zu erklären, was neben dem klassischen Banking (oder in anderen Branchen) alles passieren kann und wird. Aufzeigen, dass neue Services und Chancen entstehen.

Vielleicht reden wir Fintech-Nerds in unserer Blase ein bisschen häufig über Disruption, Fortschritte und Effizienzgewinne. Das ist sicher unsere oder eben meine Bubble. Ich bekenne mich schuldig. Ich bleibe aber dabei: Viele Angestellte sind genauso in „ihren“ Bubbles gefangen und sollten einen Schritt machen. Dann würden einige feststellen, dass die schützende Hülle immer dünner wird. Und durch Anbieter wie Facebook, Google oder Amazon zum platzen gebracht werden könnte. Nicht heute, aber vielleicht morgen.